Platz da?!

Platz da?!

„Halt geben, ohne festzuhalten“, so das Leitmotiv der RELING. Wir wollen einen geschützten Raum bieten. Einen Ankerplatz. Zum Ankommen, Auftanken, Anpacken.

Aber ohne Raum ist das schwierig. Ende April mussten wir Segel setzen: Unser Vermieter in der Neustädter Straße hat uns gekündigt. Schon lange vorher hatten wir mit der Suche begonnen. Nach einer neuen Bleibe, möglichst größeren Räumlichkeiten – um dort auch zusätzliche Angebote starten zu können: Eine Tagesaufenthaltsstätte, Duschmöglichkeiten für Besucher*innen, eine Kleiderkammer, Gruppenarbeit…

Genug freie Flächen gibt es in Hamburg. Auch und gerade in zentraler Lage. So viel Leerstand, so viele Neubauten. Trotzdem hieß es immer wieder: Sorry, kein Platz da. Nicht für euch, nicht für eure „Klientel“.

Nach langer Suche haben wir nun doch einen Platz zum Andocken gefunden, in der Niedernstraße 122. Leider nicht groß genug, um unsere oben erwähnten Pläne umzusetzen. Und bis wir dort unsere Beratung – voraussichtlich Anfang Juni – tatsächlich starten können, sind wir auch erstmal „haltlos“, und werden abwechselnd vom Jobcenter und von der Bahnhofsmission aus agieren.   

Aber immerhin: Für uns ist wieder Platz da.

Anders als für unsere Gäste. Obdachlose und Suchtkranke gelten in Hamburg offenbar zunehmend als Störfaktor.

Entsprechend setzt die Stadt auf Vertreibung. 140 Platten wurden 2022 mindestens geräumt, Schätzungen der Polizei zufolge sogar mindestens 240.* Die verstärkte Polizeipräsenz rund um den Hauptbahnhof, ZOB und Drob Inn, erschweren unsere Arbeit zusätzlich.

Bei unseren StraSo-Runden erreichen wir immer weniger Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind – so wird aus „aufsuchender“ Arbeit eine „suchende“ Arbeit.

Wie Hinz&Kunzt berichtet, hat der Senat die ebenfalls zunehmende Vertreibung von Bettler*innen mittlerweile zugegeben. Begründung für dieses Vorgehen: Die Polizei habe schließlich die Aufgabe, „die negativen Auswirkungen der Obdachlosigkeit für alle Beteiligten im Rahmen der polizeilichen Zuständigkeit so gering wie möglich zu halten.“**   

Das ist bitter. Da muss man aufpassen, dass man nicht verbittert. Manchmal hilft da nur Sarkasmus. So erzählte ein Gast neulich augenzwinkernd, er habe 2023 „das große Los“ gezogen, genau genommen „sogar dreimal das große Los.“ Was er damit meinte: „Ich bin arbeits-los, obdach-los und ohne-Alkohol-halt-los…“

Und dann lachte er. Steckte uns mit seiner Fröhlichkeit an. „Wie ihr seht: Humor-los bin ich noch nicht!“ Und zum Glück auch noch nicht mut-los, noch nicht hoffnungs-los. Da können wir als RELING ansetzen. Zuversicht verteilen, Ressourcen stärken, Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Ein bisschen was geben. Und ganz viel zurückbekommen.

So viel Platz muss sein.

Maren Albertsen

* https://www.hinzundkunzt.de/hamburg-setzt-auf-vertreibung/

**https://www.hinzundkunzt.de/hamburger-senat-rechtfertigt-bettelverbote/

Symbolbild / Quelle: Die neue Wohnungslosigkeit: „Wer obdachlos wird, ist kein Penner“ – taz.de

Dieser Beitrag wurde unter Blog abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.