„Pause“

„Pause“

So beschrieb eine Reling-Besucherin kürzlich die Monate, bevor sie obdachlos wurde: „Ich habe Pause gemacht vom Leben.“ Denn sie konnte damals nicht mehr, konnte nichts mehr. Depressiv sei sie gewesen, schon lange, das sei ihr aber erst später klar geworden. „Ich war einfach unendlich traurig, unendlich müde, unendlich kraftlos.“

Also machte sie Pause. Pause vom Leben. „Doch das Leben machte leider keine Pause von mir.“ Im Gegenteil. Ihr Leben lief weiter, mit all seinen Verpflichtungen: Mit zwei Kindern, für die sie (eigentlich) die „perfekte Mami“ sein wollte, mit der Arbeit, zu der sie (eigentlich) gehen wollte, mit Rechnungen, die sie (eigentlich) bezahlen wollte.

„Eigentlich“, weil sie eben nicht konnte. Eine Pause brauchte. So wurde aus Kraftlosigkeit Arbeitslosigkeit, aus Traurigkeit Alkoholabhängigkeit. Aus Rechnungen wurden Mahnungen, wurden Schulden, immer mehr – bis die Zwangsräumung folgte.

„Das Leben entschuldigt keine Pause“, erklärte sie achselzuckend. Ein Satz, der – leider – für die meisten unserer Gäste gilt. Ein Leben auf der Straße, ein Leben ohne geschützten Rückzugsort: Das heißt, immer wachsam zu sein. Sein zu müssen.

Wachsam, um nicht vertrieben zu werden (Was erdreisten sich Obdachlose aber auch, sich in der Öffentlichkeit einfach hinzusetzen und ein Bier zu trinken!!!). Wachsam, um nicht ständig beklaut oder angegriffen zu werden (Wie – sind Obdachlose, die in der Öffentlichkeit schlafen, nicht automatisch Freiwild???)

Wie kräftezehrend es sein muss, ständig „auf dem Sprung“ zu leben – wir können es nicht mal erahnen. Aber wir können in der Reling zumindest für ein bisschen „Abschalten“ sorgen. Einen Ort gestalten, der einlädt, aufzutanken: neue Energie, Zuversicht, Herzenswärme…  – ganz nach Bedarf. Reling-Zeit als Auszeit also. Auszeit von Sorgen und Stress, von Anspannung und Abwertung.

Reling-Zeit als Pause.

Maren Albertsen

Symbolbild / Quelle: 640×360.jpg (640×360) (deutschlandfunk.de)

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