Ganz einfach

Ganz einfach

Einfach mal die Klappe halten. Nur zuhören, nicht dazwischenreden. Auch wenn es schwerfällt, bei solchen Sätzen. „Ich bin wertlos“, sagte sie bestimmt. „Dreck. Lasst mich hier liegen. Ist am besten so. Ich werde verrecken. Ist schon okay.“

Aber natürlich ist nichts okay. So einfach ist das nicht.

Jeder Satz von ihr tat uns weh. Als wir sie neulich antrafen, bei einer unserer „StraSo“-Runden. Wie sie da lag, auf dem Boden. Ohne Isomatte, ohne Schlafsack. Unsere Stamm-Besucherin. Die keine Kraft mehr hatte für einen Besuch. Verzweifelt, verquollen. Verwundet, innerlich und äußerlich, „aber wirklich nur hingefallen“, ja klar.

„Nein, nein, nein, stimmt nicht“, wollten wir erwidern. Aber hingeworfenen Widerspruch brauchte sie in dem Moment nicht. Sie brauchte behutsamen Zuspruch. Offene Ohren für ihre Botschaften. Wache Augen, voller Wertschätzung und Zuneigung.

Einfache Gesten. Nicht besonderes. Und trotzdem wichtig. Immer wichtig. Und an diesem Tag, an dem wir unterwegs waren erst recht – dem „Tag der Einfachheit“. Oft wird es ja belächelt, das Einfache. Aber in der RELING feiern wir es. Einfachheit steht bei uns für Ehrlichkeit. Dafür, sich unmaskiert zeigen zu dürfen – auch mit Maske auf. Hier muss nichts aufgehübscht und überschminkt werden, nichts verdeckt und nichts versteckt. Come as you are!

Genau diese Haltung schenkt uns so viele „einfache“, wunderbare Begegnungen: Das Sein-Lassen, das Sein-Gelassen-Werden. Das Wissen unserer Gäste, dass wir sie akzeptieren. Dass sie mit allen Anliegen zu uns kommen können – auch den vermeintlich ganz einfachen. Und das größte Glück für uns, wenn wir ihnen – einfach mit etwas Hilfe – einen Schubs Richtung Selbsthilfe geben können.

Denn auch wenn es einfach nur traurig war, unsere Stamm-Besucherin so verloren am Boden zu sehen: Es half ihr, dass wir da waren. Dass sie keinen Grund zur Scham haben musste. Dass wir ihr erklärten, sie gerne zu unterstützen – wenn sie es denn will. Dabei, einen qualifizierten Entzug für sie zu organisieren. Beim Ärger mit dem Jugendamt zu vermitteln. Einen Schutzraum für sie zu finden. Wann auch immer sie dafür bereit ist.

Nur ein kurzes Zögern, dann kam der Moment, in dem sie nickte: „Okay, ich will das.“ Sie setzte sich aufrecht hin, ihre Augen blitzten. Dann sackte sie wieder ein Stück zusammen. „Aber ich habe Angst.“

Angst, den Neustart anzupacken, ihren „Macker“ zu verlassen, allein zu sein. „Aber du bist nicht allein“, versicherten wir. „Wir sind da.“ Und wir glauben fest daran, dass sie es schafft. Dann, wenn sie wirklich bereit dazu ist. Sie ist stark, sie ist mutig. Auch wenn sie das gerade nicht spürt. Weil sie gerade nur Angst spürt.

Das ist nicht schlimm, liebe Besucherin, du, unsere Kämpferin. Weißt du was? Es gibt dazu eine wunderbare Songzeile von Sarah Lesch: „Mut heißt nicht, keine Angst zu haben. Mut heißt, nur, dass man trotzdem springt.“ Und das geht am besten gemeinsam. Eigentlich ganz einfach…

Maren Albertsen


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