Die Sache mit dem Geld

Neulich hörten wir sie wieder. Die Frage, die anscheinend viele Menschen in Hamburg beschäftigt. Menschen, die hinschauen, hinhören, die in ihrer Nachbarschaft, auf ihrem Arbeitsweg oder an öffentlichen Plätzen bedürftige Mitmenschen wahrnehmen. Die meisten davon zurückhaltend, einfach nur „da-seiend“, sitzend, ruhig. Andere bettelnd, Passanten direkt um eine Spende bittend. Darauf reagieren manche genervt, andere großzügig. Und viele verunsichert. Sie fragen sich (und manchmal auch uns): „Soll ich Geld geben?“

Verbunden mit dieser Frage ist oft der Wunsch, „sinnvoll“ zu helfen. Und die Befürchtung, die Person, der das Geld gegeben wird, könnte es eben nicht „sinnvoll“ verwenden – sondern beispielsweise für Alkohol ausgeben. „Und sowas will ich nicht unterstützen!“ Das ist okay, das muss man auch nicht unterstützen. Wenn man sich unwohl fühlt bei dem Gedanken, dass gespendetes Geld für Alkohol oder andere Suchtmittel ausgegeben wird, muss man nicht gegen dieses Gefühl handeln.

Aber man muss respektieren, dass die Person, der man überlegt Geld zu geben, ihre eigenen Bedürfnisse hat: Sie kann und darf und soll selbst darüber bestimmen, was sie mit Geld, das sie erhält, tut. Das Recht, einer Person ein paar Münzen in die Hand zu drücken, verleiht einem nicht das Recht, ihr auch einen Lebensentwurf aufzudrücken.

Heißt: Wenn Geld, dann bitte nicht verbunden mit Regeln, was damit gekauft werden „darf“ und was nicht. Wenn Geld, dann bedingungs- und belehrungsfrei. Wenn Geld, dann weil man es gerne geben möchte. Weil man der Person in diesem Augenblick einfach eine kleine Freude machen will – und weil auch diese kleine Freude „sinnvoll“ sein kann.

Aber warum lautet die Frage überhaupt: „Soll ich Geld geben?“ Wie wirksam, die Situation der bedürftigen Person nachhaltig verbessernd kann dieses Geld geben sein? Sinnvoll und schön für beide Seiten kann auch ein ganz anderes Geben sein: Ein freundlicher Gruß, ein herzliches Lächeln, ein kleiner Schnack, eine besorgte Nachfrage: „Moin, wie geht’s?“ „Alles gut bei dir heute?“ „Weißt du, wo du heute eine warme Mahlzeit bekommst?“  Was Adressen zur Grundversorgung wie Essensausgaben, Duschmöglichkeiten und medizinische Versorgung angeht, findet man alle tagesaktuellen Infos übersichtlich aufgelistet unter www.strassenhilfe-hamburg.de. Mit einem Blick auf diese Website kann Jede*r schnell und unkompliziert Nothilfe und wichtige Verweisarbeit leisten.

Und wer einem Obdachlosen persönlich etwas geben möchte, etwas anderes als Geld, fragt am besten nicht sich selbst, was am sinnvollsten wäre – sondern die betreffende Person: „Soll ich dir einen Kaffee mitbringen?“ „Hast du Appetit auf ein Franzbrötchen?“ Denn gut gemeint – jemandem ungefragt ein Sandwich in die Hand drücken – ist nicht immer gut gemacht. Vielleicht hat die Person gerade keinen Appetit, vielleicht hat sie eine Allergie gegen bestimmte Lebensmittel. Da ist Frust dann oft vorprogrammiert: Auf der einen Seite, weil man etwas bekommen hat, was man gar nicht wollte – und auf der anderen Seite, weil auf die vermeintlich gute Gabe „undankbar“ reagiert wurde.

Am Anfang sollte deshalb der Austausch stehen. Das Abklären, was wirklich gewünscht ist, womit man in der konkreten Situation am besten unterstützen kann. Soll ich also Geld geben? Oder doch lieber Informationen, bestimmte Lebensmittel, ein offenes Ohr? Das herauszufinden, macht aus einem kurzen Kontakt eine bereichernde Begegnung. Und aus einer Spende ein Geschenk, das sich für beide Seiten auch so anfühlt: Etwas, das von Herzen kommt – und das das Herz des Gegenübers erreicht.

Maren Albertsen


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